Rechtspolitik
aktuell November 2019
Arbeitsgruppe des BMJV: Thesenpapier zur Reform des Sorge- und Umgangsrechts veröffentlicht Die interne Arbeitsgruppe im BMJV „Sorge- und Umgangsrecht, insbesondere bei gemeinsamer Betreuung nach Trennung und Scheidung“ hat sich auf Thesen zu einer Reform des Sorge- und Umgangsrechts verständigt, die am 29. Oktober 2019 veröffentlicht wurden. Die Arbeitsgruppe war im April 2018 im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz eingesetzt worden. Ihre Aufgabe: den Reformbedarf im Sorge- und Umgangsrecht, auch im Hinblick auf Fälle des Wechselmodells, umfassend erörtern. Zu den Expertinnen und Experten des Familienrechts in der Arbeitsgruppe gehört auch RAin Eva Becker, Vorsitzende des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im DAV. Aufgrund der geänderten Lebenswirklichkeiten vieler Familien und der gesellschaftlichen Entwicklungen sahen die Mitglieder der Arbeitsgruppe mehrheitlich Bedarf für eine grundlegende Reform im Bereich des Kindschaftsrechts. Hier find Sie die Thesen zu einer Reform des Sorge- und Umgangsrechts Bundestag: Nichtzulassungsbeschwerde – Anhörung im Rechtsausschuss Am 9. Oktober 2019 hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Wertgrenze für die Nichtzulassungsbeschwerde in Zivilsachen, zum Ausbau der Spezialisierung bei den Gerichten sowie zur Änderung weiterer zivilprozessrechtlicher Vorschriften beschlossen. Am 4. November 2019 fand die öffentliche Anhörung im Rechtsausschuss statt. Die DAV-Stellungnahme gab RA u N.a.D. Wolfgang Schwackenberg ab, Vorsitzender des Ausschusses Familienrecht im DAV. Die Stellungnahme entstand u.a. auf Basis der DAV-Stellungnahme Nr. 25/2019. Darin spricht sich der DAV gegen die geplante dauerhafte Festschreibung der Wertgrenze für Nichtzulassungsbeschwerden aus, um ungerechtfertigte Beschränkungen von Rechtsschutzmöglichkeiten zu vermeiden. Der DAV fordert erneut eine Einführung der Nichtzulassungsbeschwerde in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Die neu geschaffenen Richterstellen für den BGH sollten dazu genutzt werden, endlich gleiches Recht zu gewähren. Gesetzentwurf, DAV-Stellungnahme Bundeskabinett: Gesetzentwürfe zur Adoptionshilfe und Stiefkindadoption beschlossen Mit zwei Gesetzentwürfen will die Bundesregierung die Möglichkeiten von Adoptionen und die Begleitung der daran beteiligten Familien verbessern. Das Bundeskabinett hat am 6. November 2019 sowohl den Entwurf des Adoptionshilfe-Gesetzes aus dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) als auch den Gesetzentwurf zur Stiefkindadoption aus dem Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) beschlossen. BMJV-Pressemitteilung, BMFSFJ-Pressemitteilung, beide vom 6.11.2019 Bundesministeriums für Gesundheit: Gesetzentwurf gegen Konversionstherapien Der Referentenentwurf zum Schutz vor Behandlungen zur Veränderung oder Unterdrückung der sexuellen Orientierung oder der selbstempfundenen geschlechtlichen Identität (Sexuelle-Orientierung- und-geschlechtliche-Identität-Schutz-Gesetz – SO-GISchutzG) wurde am 5. November 2019 veröffentlicht. Er bündelt neue Rechtsvorschriften, die sich gegen Konversionstherapien wenden. Er beinhaltet insbesondere neue Straftatbestände und Ordnungswidrigkeiten, u.a. das Verbot von Behandlungen zur Veränderung oder Unterdrückung der sexuellen Orientierung oder der selbstempfundenen geschlechtlichen Identität, das Verbot der Bewerbung, des Anbietens und Vermittelns solcher Behandlungen, ein Beratungsangebot an jedwede betroffene Person und deren Angehörige sowie an beruflich oder privat mit dem Thema befasste Personen. Strafen beziehungsweise Bußgelder bei Verstoß gegen die Verbote sind vorgesehen. Bei Erziehungs- und Fürsorgeberechtigten ist die Strafbarkeit begrenzt auf Fälle der gröblichen Verletzung der Fürsorgepflicht. BM für Gesundheit: Information; Referentenentwurf (SO-GISchutzG) Rechtsprechung EuGHMR: Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens Es geht um die Rechtfertigung eines Eingriffs in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Die Rechtssache betraf die Adoption eines Kindes gegen den Willen der Eltern. Hier haben die nationalen Gerichte (Norwegen) zunächst ein Pflegekindschaftsverhältnis angeordnet. Später wurde den Eltern die elterliche Sorge zwecks anschließender Adoption des Kindes durch die Pflegeeltern entzogen. Die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hat im Fall Lobben u. A. gegen Norwegen entschieden, dass eine Verletzung von Art. 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) EMRK vorliegt. Beschwerde Nr. 37283/13 Entscheidung vom 10.9.2019 Pressemitteilung BVerfG: Angemessenheit der Verfahrensdauer in Umgangssachen Bei der Beurteilung der Frage, ob die Verfahrensdauer eines Umgangsverfahrens unangemessen lang ist, ist die Gefahr einer faktischen Präjudizierung durch Zeitablauf besonders zu beachten und es gilt daher eine besondere Sorgfaltspflicht der Gerichte. Es bestehen aber weder verfassungsrechtliche noch menschenrechtliche Gewährleistungen, generell in Umgangssachen eine Pflicht zu „maximaler Verfahrensbeschleunigung“ zugrunde zu legen. Das Familiengericht kann einen für das Kind bestellten Verfahrensbeistand nicht verpflichten, einen Umgangsbegleiter zu benennen. Az 1 BvR 1763/18 Beschluss vom 6.9.2019 BGH: Verfahrenskostenhilfe bei wesentlichen Änderungen der Bedürftigkeit Begehrt der Rechtsmittelführer Verfahrenskostenhilfe, muss er in der Beschwerdeinstanz mit der Ablehnung des Verfahrenskostenhilfegesuchswegen fehlender Bedürftigkeit rechnen, wenn sich nach der erstinstanzlichen Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wesentliche Änderungen ergeben haben. Az XII ZB 120/19 Beschluss vom 11.9.2019 BGH: Negative Entwicklung der Versorgungslage Ist ein in der Ehezeit erworbenes Versorgungsanrecht im Zeitpunkt der Entscheidung über den Versorgungsausgleich nicht mehr oder nicht mehr vollständig vorhanden, ist diese negative Entwicklung der Versorgungslage grundsätzlich unabhängig von ihren Ursachen oder dem Zeitpunkt ihrer Entstehung zu berücksichtigen. Bei Versorgungsanrechten eines beherrschenden Gesellschafter- Geschäftsführers ist für den Beginn der im Rahmen der zeitratierlichen Bewertung einzustellenden Gesamtzeit auf den in der Versorgungszusage für den Erwerb des Anrechts tatsächlich festgelegten Erdienensverlauf abzustellen; wenn die Unternehmereigenschaft des Versorgungsempfängers schon bei Erteilung der Zusage bestanden hat, wird in der Versorgungszusage der Beginn des Erwerbs von Anrechten schon aus steuerrechtlichen Gründen regelmäßig auf den Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusage festgelegt sein. Az XII ZB 627/15 Beschluss vom 11.9.2019 OLG Oldenburg: Wahl eines Zielversorgungsträgers Bei der Frist zur Wahl eines Zielversorgungsträgers nach § 222 Abs. 1 FamFG handelt es sich um keine Ausschlussfrist sondern um eine Frist, die der Förderung des Verfahrens dient. Az 11 UF 148/19 Beschluss vom 8.10.2019 (noch nicht in der Datenbank) OLG Dresden: Umfang der Auskunftspflicht des Unterhaltsschuldners über Einkünfte aus Gesellschaftsbeteiligungen Die Grundsätze der Einkommensermittlung für Selbständige sind auch auf den Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft oder Personengesellschaft anzuwenden, wenn es sich bei dem Gesellschafter um einen sog. beherrschenden Gesellschafter handelt, der aufgrund der Quote seiner Beteiligung oder seiner Position die Geschäfte der Gesellschaft oder die Gewinnausschüttung steuern oder in seinem Interesse maßgeblich beeinflussen kann. Der Auskunftsanspruch erstreckt sich in diesem Fall grundsätzlich auch auf die Gewinnermittlung der Gesellschaft. Soweit der Gesellschafter/Mitgesellschafter danach auch die Gewinnermittlung (Einnahmen und Ausgaben der Gesellschaft) in der Auskunft darzustellen hat, muss er grundsätzlich (neben der Bilanz einschließlich Gewinn- und Verlustrechnung) auch die Gesellschaftsverträge bzw. die Gesellschafterbeschlüsse vorlegen, die die Gewinnverteilung unter den Gesellschaftern regeln. Das Interesse eventueller Mitgesellschafter an der Geheimhaltung von Gesellschaftsverträgen und an der Gewinnermittlung des Unternehmens hat in der Regel hinter den Auskunftsanspruch zurückzutreten. Az 20 WF 728/19 Beschluss vom 29.8.2019 OLG Köln: Kostenrisiko bei der Auslandsadoption – Keine Amtshaftung der öffentlichen Stellen Bei einer beabsichtigten Adoption eines Mädchens aus Thailand haften die beteiligten öffentlichen Stellen nicht für die Kosten der Unterbringung des Kindes in Deutschland. Die potentiellen Adoptiveltern entschieden sich wegen „auffälligen Verhaltens“ des Mädchens letztlich gegen eine Adoption, nachdem sie es bereits nach Deutschland geholt hatten. Sie machten geltend, dass ihnen das Kind nicht hätte vermittelt werden dürfen und dass sie über das Kostenrisiko hätten aufgeklärt werden müssen. Insgesamt habe es keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Adoptionsvermittlung wahrscheinlich scheitern werde, so das OLG. Die behauptete Amtspflichtverletzung durch das Jugendamt sei nicht kausal für den geltend gemachten Schaden geworden. Außerdem hätten die Kläger das Risiko für eine Kostenübernahme vor Mitnahme des Mädchens nach Deutschland gekannt. Az 7 U 151/18 Urteil vom 11.07.2019 OLG-Pressemitteilung demnächst hier im Volltext veröffentlicht Amtsgericht München: Fristlose Kündigung des Krippenvertrages unberechtigt Ein Ehepaar hatte das Vertragsverhältnis mit einer Krippe fristlos gekündigt, u.a. weil es die Eingewöhnung in der Krippe als gescheitert sah. Die Einrichtung sei entgegen zuvor gemachter Angaben nicht für 6 Monate alte Kinder geeignet. Die fristlose Kündigung war unberechtigt. Das Ehepaar muss die vereinbarte Vergütung bis zum Ablauf der vereinbarten dreimonatigen Kündigungsfrist zahlen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Az 173 C 8625/19 Urteil vom 8.10.2019 Pressemitteilung vom 18.10.2019 Quelle: https://familienanwaelte-dav.de/?md-ov-uuid=3e07adc8-0160-11ea-ad1f-0cc47a46be62 |